Projektleitung: Karsten Giertz
Projektmitarbeitende: Anke Wagner, Antje Werner, Frank Hammerschmidt, Kathrin Boegner, Susanne Siebeck
Die sozialpsychiatrische Versorgung zeichnete sich in den letzten Jahren durch ein umfangreiches und differenziertes Leistungsspektrum aus, dass einerseits eine Vielzahl von verschiedenen Leistungstypen aus dem ambulanten, komplementären und (teil-)stationären Bereich für psychisch erkrankte Menschen umfasste und anderseits durch unterschiedlich gesetzlich geregelte Zugänge und Finanzierungstrukturen einen hohen Fragmentierungsgrad aufwies, wodurch insbesondere psychisch erkrankte Menschen mit komplexen Problemlagen häufig einer Unterversorgung oder Fehlversorgung ausgesetzt waren und noch sind. Aktuelle gesetzliche Reformprozesse wie das Bundesteilhabegesetzt, die stationsäquivalente Behandlung oder das Pflegestärkungsgesetzt haben hier wichtige Impulse und Anreize für eine Weiterentwicklung und Flexibilisierung der Leistungssysteme sowie für eine am individuellen Bedarf orientierte personenzentrierte Versorgung geschaffen.
Bisher haben sich die gesetzlichen Reformprozesse in der Praxis nur unzureichend niedergeschlagen. Die Leistungsträger und Leistungserbringer in Mecklenburg-Vorpommern befindet sich derzeit in einem Umstrukturierungsprozess mit neuen Herausforderungen und fachlichen Anforderung hinsichtlich der Entwicklung einer qualitativen, bedarfsgerechten und effizienten psychiatrischen Versorgung sowie in der Kommunikation und Zusammenarbeit untereinander. Dieser Umgestaltungsprozess sowie die Analyse von Bedarfen für die weitere Planung und Ausgestaltung der psychiatrischen Versorgung werden durch die ländlich geprägte geografische Struktur und durch die unterschiedlichen regionalen Versorgungsstrukturen der einzelnen Landeskreise von Mecklenburg-Vorpommern zusätzlich erschwert.
Das vom Psychiatriereferat des Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit finanzierte Modellprojekt Netzwerk Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern begleitet den oben beschriebenen Umgestaltungsprozess auf der fachlichen Ebene und im Rahmen der Entwicklung und Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen, Landesarbeitsgruppen, Fachveranstaltungen sowie anderen Informationsangeboten. Ein besonderer Schwerpunkt in diesem Jahr bildet das Bundesteilhabegesetz. Durch den Austausch mit leistungserbringenden und leistungsgewährenden Institutionen, Verbänden und Vereinigungen der Selbsthilfe sowie wissenschaftlichen Akteur*innen werden Empfehlungen für die Umsetzung der im Bundesteilhabegesetz verankerten Vorgaben für psychisch erkrankte Menschen und ihren Angehörigen erarbeitet.
Die im Bundesteilhabegesetz formulierten Verfahren zur Bedarfsermittlung und Beantragung von Leistungen der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung ermöglichen auf der einen Seite den leistungsberechtigten Personen mehr Selbstbestimmung und eine individuellere Ausgestaltung der beanspruchten Leistungen. Auf der anderen Seite geht dieser Prozess auch mit mehr Eigenverantwortung und erhöhten bürokratischen Anforderungen bei der Beantragung einher. Insbesondere bei psychisch erkrankten Menschen, welche Schwierigkeiten haben ihren Hilfebedarf zu formulieren oder welche sich aufgrund komplexer Problemlagen nur schwer an den Beantragungs- und Hilfeplanverfahren aktiv beteiligen können, besteht die Gefahr, dass diese Zielgruppe aus den Versorgungssystemen herausfällt oder einer erheblichen Unter- bzw. Fehlversorgung ausgesetzt ist.
Das Projekt Netzwerk Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern begleitet diesen Prozess und kann über die Vernetzung mit Akteur*innen aus der Verwaltung, Praxis, Selbsthilfe und Wissenschaft auf Versorgungsprobleme bei bestimmten Zielgruppen aufmerksam machen und Empfehlungen für eine Optimierung der Versorgung erarbeiten. Darüber hinaus werden Versorgungs- und Schnittstellenproblematiken der Zielgruppe forensischer Klient*innen in diesem Jahr verstärkt thematisiert.